Interview mit Regisseurin und Lehrbeauftragter Karin Macher über unsichtbare Heldinnen, ihren neuesten Film Motherland und die Definition von „Frauenfilm“
FRAUEN ARBEIT FILM: Der Film „Hana, dul, sed...“ ist sicherlich ein Paradebeispiel für Durchhaltevermögen. Reizt es dich, „Herzblut“ in besonders schwierige Themen zu investieren?
Karin Macher: Eigentlich ist das nicht der Reiz, sondern eher eine logische Konsequenz bei der Entscheidung für manche Themen. Die Themen sind da und wollen gemacht werden, und ich hätte nichts dagegen, dass es auch Projekte sind, die wie auf Schiene gemütlich vor sich hin fahren. Leider ist es bisher noch nie so gewesen. Aber sich von etwas abhalten zu lassen, nur weil was schwierig wird – nein, das gilt nicht!
Du arbeitest zurzeit an der Fertigstellung von „Motherland“. Worum geht es bei diesem Projekt? In puncto Arbeitsbedingungen: Was waren die Highlights, was die Stolpersteine? Wie lange arbeitest du schon an diesem Projekt?
„Motherland“ ist ein Projekt von Su Wastl und mir, ein spannendes Road-Movie in einem historisch-familiärem Setting. Wir arbeiten seit einigen Jahren zu zweit an diesem Projekt und haben glücklicherweise eine tolle, unterstützende Crew. Stolpersteine sind auf jeden Fall die „Mehrfach-Arbeitswelten“, in denen die meisten von uns leben. Highlights waren die wunderbaren Menschen, die wir gefunden haben, das spannende Miteinander, die Auseinandersetzung, das „Sehen lernen“, aktiv werden, aus dem Jammern heraus ins Handeln kommen und neue Rollen finden.
„Hana, dul, sed...“ ist ein Sportfilm mit einer feministischen Fragestellung. Welche Thematiken interessieren dich als Filmemacherin und warum?
Mich interessieren unsichtbare Geschichten, Dinge, die selbstverständlich zur „Normalität“ werden und es bei Weitem nicht sind. Unabhängig davon, ob es sich um unsichtbare Heldinnen handelt oder um Frauen, die politisch ihre Welt beeinflussen und deren Macht und ihr Wirken niemand wahrnimmt, weil der Satz „Das Private ist politisch“ schon so veraltet scheint.
Jedenfalls liebe ich Filme, bei denen ich sehen lerne und neue Bilder geschenkt bekomme.
Du hast als Filmemacherin bereits in Frauen-Teams und gemischten Teams gearbeitet. Worin liegen die Qualitäten der jeweiligen Teamzusammenstellung?
Wenn ich die Entscheidungsmöglichkeit hatte, wurde in jedem Team immer nur drauf geachtet, dass es die jeweils Besten für den jeweiligen Job sind. Und wenn die beste Frau für den Job ein Mann war… tja, dann war es ein Mann.
Um die Unterschiede der verschiedenen Konstellationen zu besprechen, könnte ich nur in einem „schlampigen“ Verallgemeinerungston schreiben – oder eine lange Abhandlung.
Ein paar Themen, die da mitspielen, sind sicher Dinge wie: gut oder schlecht trainierte hierarchische Strukturen; Vorschusslorbeeren für Männer; fehlende weibliche Technikgurus; mangelnde Konkurrenzfreudigkeit und Konfliktfähigkeit; falsche Loyalitäten – alles Dinge, die in allen Bereichen existieren, und die dann besonders schwierig werden, wenn alle versuchen so zu tun, als wären wir gegen den real existierenden Sexismus immun.
Wie findest du deinen Themen, wie kommst du zu deinen Projekten?
Viele Leidenschaften und viele Ideen; einige sehr spannende Menschen in meinem Umfeld mit vielen Leidenschaften und Ideen. Und manchmal, ganz selten, bei einigen wenigen Ideen finden wir dann Umstände, die es ermöglichen, bestimmte Projekte tatsächlich zu realisieren.
Wie schätzt du das österreichische Filmschaffen hinsichtlich Resonanz in der Öffentlichkeit ein? Jede/r kennt Haneke, kaum jemand weibliche Regisseurinnen? Woran liegt das, deiner Meinung nach?
Ich finde, dass die österreichischen Regisseurinnen einen unglaublich guten Ruf und eine internationale Resonanz haben, die nur wenige andere Länder auf der Welt vorweisen können. Wenn ich im Ausland mit Menschen über den österreichischen Film rede, dann betrifft sofort eine der ersten Fragen die österreichischen Regisseurinnen. Natürlich sind in allen Sparten Männer immer noch die spannenderen, prominenteren und höher dotierten. Das liegt – nach wie vor – an dem international noch immer vorherrschenden Sexismus. Aber, nachdem wir ja in einem neuen Jahrtausend angelangt sind, und sich das letzte mit den Klassenproblemen und Nationalismus verausgabt hat, ist in diesem Jahrtausend Sexismus und Religion dran.
Wie sieht es mit deinen Arbeitszeiten, dem Arbeitseinsatz und den -anforderungen aus? Musst du manchmal Entscheidungen treffen, gegen das Künstlerische, für das rein Ökonomische?
Das sind zwei Fragen zu zwei unterschiedlichen Aspekten. Wir sind in künstlerischen Berufen bereits in der neuen schönen Welt des Prekariats angekommen.
Meine Filmprojekte sind deshalb möglich, da ich einen anderen Beruf (Lehrbeauftragte an der Filmakademie) habe, in dem ich ausreichend Geld verdiene, und für den es notwendig ist, dass ich selber Filme mache, weshalb ich auch weiter im Medium Film aktiv tätig sein werde. Ich habe Produktion studiert, und finde es eigentlich sehr, sehr spannend wie sich Kunst mit der Wirklichkeit in Form von Produktionsverhältnissen und technischen Veränderungen auseinandersetzen muss.
Wie denkst du über das vom herkömmlichen Kino / TV vermittelte Bild von Frauen in Österreich? Gibt es deiner Meinung nach so etwas wie einen „Frauenfilm“. Würde ein Mann einen Film wie z. B. Sabine Derflinger Eine von 8 drehen?
Im Internet gibt es eine mögliche „Frauenfilm“-Definition mit den folgenden drei Kriterien:
1. Spielen in dem Film zwei Frauen, die einen Namen haben?
2. Sprechen diese beiden Frauen miteinander?
3. Sprechen sie über etwas anderes als Männer?
Wenn sie 3x mit Ja antworten können, dann ist es ein Frauenfilm…
Das ist schon mal ein Ansatz; jedoch wäre dann auch Germany's Next Topmodel ein Frauenfilm, denn da geht es nicht um Männer, aber ums Schön-, Schlank-, Jung und Beliebt-Sein.
Diese Definitionsthematik eines „Frauenfilms“ ist ein spannendes Thema, auch wenn ich prinzipiell gerne darüber reden würde, warum es in diesem festgefahrenen Dualismus verharrt. Es ist aber notwendig, wenn wir in Folge über Quoten diskutieren, und langfristig gesehen unsere Einkommensscheren und Ungleichbehandlungen loswerden wollen.
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