Die Kamerafrau Judith Benedikt über Durchhaltevermögen, Arbeiten in Frauenteams und männliche Regiedominanz
FRAUEN ARBEIT FILM: Mit „Hana, dul, sed…“ hast du die Kraft bewiesen, an Projekten dranzubleiben, die auf den ersten Blick aussichtslos erscheinen. Reizt dich das im Hinblick auf unser Thema „Herzblut“ besonders?
Judith Benedikt: Der Reiz bei „Hana, dul, sed…“ bestand sicher in der Liebe zum Thema selbst und zu den Protagonistinnen, die mich von Anfang an begeistert und ständig aufs Neue motiviert haben, an diesem Projekt weiterzuarbeiten. Diese Aspekte waren ungleich stärker, als die vermeintliche Aussichtslosigkeit dieser Arbeit und das erforderliche Durchhaltevermögen.
Was konkret hat dich bewogen, in das herausfordernde Projekt „Hana, dul, sed…“ einzusteigen? Du hast Brigitte Weich erst in Bangkok kennengelernt.
Das Projekt erschien mir von Anfang an attraktiv, denn es hat auf Anhieb meine Abenteuerlust geweckt: Reisen in mir unbekannte Erdteile, Frauenfußball und natürlich die Gelegenheit, einen ersten Kinodokumentarfilm als Kamerafrau zu begleiten. Diese Aussichten reizten mich sofort.
Die erste Begegnung mit den Spielerinnen im Zuge der asiatischen Frauenfußballmeisterschaften in Bangkok hat mich schließlich endgültig überzeugt. Das Talent, der Einsatz und die Intensität, die von ihrem Spielen bis hin zum asiatischen Meistertitel ausgingen, haben Brigitte Weich und mich von erster Sekunde an gefesselt. Um erstes Material zu sammeln, haben wir bereits während dieser Spiele gedreht. Unser Enthusiasmus war so groß, dass wir die Aufnahmen im Hotelzimmer in endloser Wiederholung angesehen haben.
„Hana, dul, sed…“ ist ein Sportfilm mit einer feministischen Fragestellung. Welche Thematiken interessieren dich in deiner Arbeit?
Sozialpolitische Themen interessieren mich sehr, es ist außerordentlich wichtig, sich immer wieder erneut mit sozialen Themen und Missständen auseinander zu setzen. Filme bieten Menschen die Möglichkeit, Situationen aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, da diese das Potential haben, ein breites Spektrum unterschiedlicher Sichtweisen zu vermitteln.
Dieser Aspekt hat mich in meiner Berufswahl geprägt und diesen Anspruch verfolge ich seit Anfang meines Studiums. Bisherige Erfahrungen bestätigten meine Ansicht, dass sich menschliche Grundbedürfnisse – unabhängig vom politischen System, das sie umgibt – nicht von jenen anderer Menschen unterscheiden, die unter anderen Bedingungen leben. Die häufig stark polarisierende Berichterstattung über die kommunistische Diktatur in Nordkorea weckte meine Neugier, eine eigene Sicht von diesem Land und seiner Gesellschaft zu gewinnen.
„Hana, dul, sed…“ befasst sich mit zahlreichen weiteren Aspekten, die mich ebenso stark interessieren: Sport, Feminismus, Frauen in einem traditionellen Männersport und ihr Umgang mit dem vorherrschenden Frauenbild in einer kommunistisch regierten Gesellschaft. Meine Arbeit erfordert immer wieder aufs Neue die intensive Auseinandersetzung mit verschiedensten Themen. Darin liegt eine Qualität, die ich sehr schätze: Gelegenheit zu haben, sich sehr tief und eingehend mit Fragen zu beschäftigen, denen man im Alltag nur wenig Zeit widmen würde, mit denen man mitunter nicht einmal konfrontiert wäre.
Wie war das Arbeiten im (Frauen)-Team?
Ich empfand die Arbeit bei diesem Projekt mit diesem Frauenteam als etwas weniger hierarchisch als in anderen Teams, sehr demokratisch. Natürlich gab es auch Spannungen und einzelne Auseinandersetzungen, was in Anbetracht der siebenjährigen Gesamtdauer des Projektes unter teils äußerst schwierigen Bedingungen sicherlich normal ist. Rückblickend haben uns diese Differenzen aber immer vorangebracht, jede von uns hat sich dadurch persönlich weiterentwickelt und sehr viel daraus gelernt.
Du musstest die Bilder für „Hana, dul, sed…“ sehr autark finden, da Brigitte Weich wenig Regieerfahrung besaß. Dadurch warst du einerseits sehr frei in deiner Arbeit, andererseits musstest du weitgehend alleine die Bilder finden.
Diese kreative Freiheit habe ich einerseits sehr genossen, andererseits war die Vermittlung einzelner Bilder zwischen Brigitte und mir ein lehrreicher aber auch langwieriger Prozess. Dabei lernte ich schrittweise, ihre emotionalen Bezüge umzusetzen und diese mit meiner eigenen Herangehensweise zu verknüpfen.
Wie sah ein „normaler“ Arbeitstag beim Dreh in Nordkorea aus? Auf was musstest du achten, wurdest du kontrolliert? Wie lief es ab in puncto Verbote, Drehsituationen, Mobilität, Kontrolle …
Den „normalen“ Arbeitstag gab es bei unserer Arbeit in Nordkorea nicht. Jeder Tag brachte neue, oft unerwartete Herausforderungen. Vieles, das detailliert geplant und besprochen war, verlief am folgenden Drehtag völlig anders. Oft lag es an den manchmal recht eigenwilligen Umständen, die es uns nicht ermöglichten, an einen geplanten Ort zu fahren, dafür erschlossen sich uns andere Orte und Szenen, die wir auf eigene Faust vermutlich niemals entdeckt hätten. Manchmal war das ein Geschenk, manchmal aber auch eine Enttäuschung.
Strikte Auflagen bestehen beim Filmen der Führerstatuen und der Propagandatexte, die anstelle von Werbung in der ganzen Stadt angebracht sind. Statuen dürfen nur unter gewissen Blickwinkeln aufgenommen werden, die Textbanner müssen zwingend vollständig im Bild erscheinen und dürfen unter keinen Umständen abgeschnitten werden. Das Drehen von Straßenzügen, Monumenten und Alltagssituationen verläuft mehr oder weniger frei. Ein Staatsbediensteter, selbst Kameramann, wurde uns während des Drehens zur Seite gestellt, um uns diese Gepflogenheiten des Landes zu erklären. Diese Informationen waren teils überflüssig, da doch ganz Pyongyang mit Führerbildern, Plakaten und Sprüchen ausgestattet ist. Meistens aber empfand ich diese Hinweise als hilfreiche Ankerpunkte jenes wichtigen Prozesses, lokale Gepflogenheiten der nordkoreanischen Gesellschaft kennenzulernen und zu respektieren, von denen der Film ja immerhin erzählt. Respekt vor einer Gesellschaft betrachte ich als grundlegende Voraussetzung dafür, dieser gegenüber auch eine kritische Position einnehmen zu können.
Wie sieht es generell mit deinen Arbeitszeiten, dem Arbeitseinsatz und den -anforderungen aus? Zeichnet sich das Filmgeschäft dadurch aus, so flexibel wie möglich zu sein? Kannst du selbst Schritt halten (auch finanziell) mit den technischen Veränderungen am Markt? Musst du manchmal Entscheidungen treffen, gegen das Künstlerische, für das rein Ökonomische?
Hohe Flexibilität ist in meinem Beruf unbedingt erforderlich, in zeitlicher und örtlicher Hinsicht. Permanente Verfügbarkeit und Spontaneität werden erwartet, doch darin liegt für mich auch der Reiz dieser Branche. Aktuellstes Equipment ist über den Kameraverleih problemlos erhältlich, dadurch kann ich auch in technischer Hinsicht auf die jeweiligen Anforderungen jedes Projektes eingehen. Wie auf jedem kreativen Gebiet bewegen sich auch Filmschaffende ständig an der Schnittstelle zwischen künstlerischen und wirtschaftlichen Entscheidungen. Leider ergibt sich nicht sehr oft die Möglichkeit, frei in seiner Kreativität agieren zu können, da die finanziellen Mittel meist begrenzt sind.
In Korea besagt das Klischee: „Die Frau muss eine Blume sein ….“ Wie denkst du über das vom herkömmlichen Kino / TV vermittelte Bild von Frauen in Österreich?
ÖsterreicherInnen tendieren grundsätzlich stark dazu, sich selbst gegenüber äußerst kritisch eingestellt zu sein, Frauen machen sich oft „klein“, die enorme Einkommensschere ist hierzulande traurige Realität. Das in Kino/TV vermittelte Frauenbild – ich sehe nicht viel fern – kolportiert nach wie vor ein eher klassisch-tradiertes: jung, attraktiv, schlank, sexy. Nur in wenigen Fällen werden selbstbewusstere Frauentypen vorgestellt, was vielleicht daran liegt, dass die Entscheidungsebene, vor allem die Regie, noch vorwiegend männlich dominiert ist.
Vom Frauenbild in Hana, dul, sed… könnten österreichische Frauen meines Erachtens sehr wohl lernen: Die Protagonistinnen hinterfragen ihre traditionellerweise zugewiesene Rolle, sie kämpfen dagegen an, um ihrer Begabung nachzugehen, um sich dort hin zu bewegen, wo ihr Herz liegt. Wobei auch ein nicht unwesentlicher Aspekt eine wichtige Rolle spielt und mitbedacht werden muss: Dass ihre Motivation sich daraus nährt, ihre zugeteilte Rolle aus Dankbarkeit und Verpflichtung im Namen des „Führers“ bestmöglich zu erfüllen.
Woran arbeitest du zur Zeit?
Derzeit recherchiere ich für mein erstes eigenes Dokumentarfilmprojekt, und so viel kann verraten werden: Asien spielt darin eine zentrale Rolle, denn durch die Arbeit an Hana, dul, sed… habe ich meine Liebe zu diesem Kontinent und zu dieser Kultur entdeckt.
Das Interview führte Sabine Perthold.
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